Der Marsianer – Rettet Mark Watney!

Text by Inge.

Ein Mann gegen den Rest der Welt, der Kampf ums Überleben, um die Rückkehr nach Hause: Solche Romane hat sicher jeder schon einmal gelesen, die Geschichte scheint vorhersehbar, manchmal sogar langweilig. Der Protagonist kriegt am Ende als Belohnung das Mädchen, alles ist wieder toll, oder er stirbt beim Versuch, und damit hat es sich auch.

„Der Marsianer“ wäre bei mir beinahe in eben jener Kiste gelandet, wenn ich nicht die erste Seite aufgeschlagen hätte und mich die Art und Weise, wie Andy Weir diesen Roman aufzieht, und auch der Humor, mit dem er dabei seinen Hauptcharakter ausstattet, sofort gefesselt hätte.

Die Handlung ist dabei denkbar einfach. Es geht um Mark Watney, der durch einige dumme Un- und Zufälle von seiner Crew auf dem Mars allein zurückgelassen wird. Mit eingeschränkten Vorräten und Materialien macht er sich daran, möglichst lange am Leben zu bleiben, um vielleicht doch noch gerettet zu werden. Dabei führt er Tagebuch, das den Leser sehr nahe an ihn als Person treten lässt, denn es sind eben auch Tage dabei, wo alles nicht so läuft wie geplant, wo alles auf Messers Schneide steht und man deshalb umso mehr mit Watney mitfiebert. Kleiner Spoiler für diejenigen, die bisher weder das Buch gelesen, noch den Film gesehen haben: Am Ende geht alles gut aus.
Das eigentlich Fesselnde an dieser Geschichte ist aber nicht der ungewisse Ausgang, sondern wie Mark Watney es überhaupt schafft, auf dem Mars komplett allein zu überleben. Da werden Kartoffeln in dem eigentlich lebensfeindlichen Marsboden gezüchtet, Klebeband hält eine Luftschleuse zusammen, und ein radioaktiver Kern wird zur Heizung. „I’m going to science the shit out of this“, wie es im Originaltext formuliert wird, scheint da die einzige treffende Zusammenfassung zu sein. Mark Watney nutzt sein gesamtes Wissen – und seinen eingebauten Sarkasmus – in den unterschiedlichsten Situationen und wird dafür mit seinem Leben belohnt.

Als heimliche Naturwissenschaftlerin bewundere ich dabei die Recherche, die in diesen Roman eingeflossen sein muss, besonders da es Andy Weirs Debütroman ist. Alles ist so stimmig, dass man sich in keinem Moment so fühlt, als würde man gerade Science-Fiction lesen. Zugegebenermaßen, wir agieren hier auch in einem Rahmen von Science-Fiction, der wohl noch zu meinen Lebzeiten real werden wird, doch selbst die Dinge, die heute noch eher unmöglich wirken, werden plausibel erklärt. Und das, was heute schon Realität ist und für manch Unwissenden mehr nach Science-Fiction klingt als die eigentliche Science-Fiction, wird einem im Detail noch einmal erläutert, inklusive historischer Daten – ja, nach dem Lesen dieses Buches fühlt man sich wirklich ein kleines bisschen schlauer. Und ab und zu fühlt man sich schon fast dazu genötigt, auf Wikipedia nachzuschlagen, ob der Autor gerade Fakten hinzuerfindet oder nicht. Nicht umsonst verlieh die Zeitschrift bild der wissenschaft also den Titel „Wissensbuch des Jahres – Bereich Unterhaltung“ an den „Marsianer“, und zeigt damit, was dieses Buch wirklich einzigartig macht: Naturwissenschaften werden als coole Lösung für Probleme dargestellt, die auch tatsächlich unterhalten können, und haben mit dem schnöden Schulunterricht nicht mehr viel zu tun. Eigentlich sollte das das Ziel jeder guten Science-Fiction-Geschichte sein.

Die Frage ist nun natürlich, wie wurde dieses Buch als Film umgesetzt?

Zu meiner eigenen Überraschung bin ich damals aus dem Kino gekommen, mit dem Kommentar auf den Lippen: „Das war mal richtig gut!“ Eine wahre Seltenheit bei Literaturverfilmungen, zumindest in meinen Augen. Das Medium Buch in das Medium Film zu übertragen ist bekannterweise eher schwierig, da man mit einer Kamera kaum die innersten Gefühle eines Charakters einfangen kann. Doch Weirs Roman machte es etwas einfacher, da das Mittel der Tagebuch- bzw. hier Videotagebucheinträge sowieso vorgegeben ist, Mark Watney spricht also einen nicht geringen Anteil des Films direkt in die Kamera und erzählt einfach, was er an diesem Tag so geschafft hat, inklusive seines etwas schrägen, aber glaubwürdigen (Galgen-)Humors. Man freut sich mit ihm mit, wenn die Kartoffeln anfangen zu wachsen, und stöhnt ebenso wie Watney, wenn schon wieder ein 70er-Jahre Disco-Hit über die Lautsprecher läuft.
Der Blick zurück zu dem, was gerade parallel auf der Erde geschieht, passiert dabei im Film weit früher als im Buch, und man erhält als Zuschauer so den größeren Kontext, was ich als positiv empfand. Insgesamt hielt sich der Film dabei aber sehr eng an die Handlung des Buches, und kürzte nur an kleineren Stellen, die im Buch als Spannungsaufbau gewirkt haben mögen, beim Film das Ende aber nur unnötig hinausgezögert hätten.
Der Cast war erfrischend und die unübersehbaren Zaunpfähle, die der Autor beim Konzipieren der Charaktere geschwungen hatte, wurden zum größten Teil tatsächlich umgesetzt und die im Buch vertretenen Nationalitäten sind auch im Film vorhanden. Als Deutsche war es dann allerdings doch ein ganz klein bisschen verletzend, dass der deutsche Charakter im Buch, Alex Vogel, von einem norwegischen Schauspieler verkörpert wird. Nahe dran, Hollywood, aber wir haben auch ein paar gute Schauspieler!
Doch der wahre Hauptcharakter in diesem Film ist und bleibt die Wissenschaft, und sie, mehr als Mark Watney, ist am Ende der Held. Oder, um einen Tweet von Neil deGrasse Tyson, einen in den USA hoch angesehen Astrophysiker zu zitieren: „The @MartianMovie — where you experience Love, Hate, Envy, Anxiety, Pride, & Heroism, all through the lens of science.“

„Der Marsianer – Rettet Mark Wattney“ erschien am 8. Oktober 2015 in den deutschen Kinos und ist mittlerweile auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
„Der Marsianer“ (Original: „The Martian“) von Andy Weir ist 2015 als Taschenbuch beim Heyne-Verlag erschienen. ISBN: 978-3-453316911

Oscar-Nominierungen: Bester Film, Bester Hauptdarsteller (Matt Damon), Bestes adaptiertes Drehbuch, Bester Ton, Bester Tonschnitt, Bestes Szenenbild, Beste visuelle Effekte

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